Dopavision - Ein deutsches StartUp bekämpft die Myopie!

Weltweit ist die Myopie bei Kindern wie auch Erwachsenen auf dem Vormarsch. Begünstigt wird dies vermutlich durch unsere dominierende Nah- und Bildschirmarbeit, aber auch durch evolutionär ungewohnte Umgebungsstimuli, wie der überwiegende Aufenthalt in Innenräumen. Studien liefern hier kontroverse Daten. Als eines der ersten deutschen Start-Ups aus dem Bereich Augenheilkunde hat Dopavision der myopen Pandemie mit einem interessanten Behandlungsansatz den Kampf angesagt. Im Folgenden sprechen wir mit Stefan Zundel, Co-Founder und Managing Director von Dopavision.

DopaVision Website

Hi Stefan,

Wir kennen uns schon seit einigen Jahren, seit dem Young Physician Leaders Event im Rahmen des World Health Summit (WHS) in Berlin. Damals wart ihr glaube ich noch ziemlich am Anfang mit eurem Start-Up. Gerade habt ihr eine Finanzierung in Höhe von 12 Millionen Euro bekommen. Gratulation dazu! Erzähl doch nochmal kurz was es mit Dopavision auf sich hat.

Hi Sebastian,

Ja genau! Wir entwickeln eine digitale Therapie gegen Kurzsichtigkeit für Kinder und Jugendliche, die von einem Smartphone aus eingesetzt werden kann. Kurzsichtigkeit, oder Myopie, ist ja ein weltweit sehr großes – und immer noch zunehmendes – Problem, mit Prävalenzen in Asien von über 80% bei jungen Erwachsenen. Unser Therapieansatz basiert auf Lichtstimulation von bestimmten photosensitiven Zellen auf der Netzhaut zur Modulation von Dopamin, das in der Regulierung des Augenwachstums eine wichtige Rolle spielt. Unser Ziel ist es, eine klinische validierte, digitale Therapie für progrediente Kurzsichtigkeit bei Kindern und Jugendlichen zu entwickeln.

 

Tolle Idee. Die Myopie nimmt tatsächlich wahnsinnig zu und die Zahlen an refraktivchirurgischen Eingriffen wie LASIK, Relex Smile und PRK steigen. Euch liegt an riesengroßer Markt zu Füßen! Ist Euer Ansatz denn wissenschaftlich fundiert?

Gemeinsam mit akademischen Partnern auf der ganzen Welt haben wir unseren Ansatz in präklinischen Modellen und ersten explorativen klinischen Studien untersucht. Dabei konnten wir die Funktionsweise von MyopiaX – so nennen wir unseren Therapieansatz intern – und konkret die Stimulation der relevanten Zellen auf der Netzhaut bestätigen, die den Dopaminspiegel beeinflussen. Die Ergebnisse befinden sich in der Publikation bzw. sind zum Teil schon veröffentlicht. In den nächsten Monaten werden wir weitere Studien durchführen, um unseren Ansatz weiter zu validieren und zu verbessern.

 

Das klingt spannend. Viele Augenärzte werden sicherlich kritisieren, dass Licht in bestimmten  Spektralbereichen an sich ja auch ab einer gewissen Grenze toxisch für die Retina ist und in bestimmten Zellen der Netzhaut Apoptose induzieren kann. Zudem wirkt Eure (Smartphone-basierte) App ja auch als akkomodativer Stimulus. Was habt Ihr dem entgegen zu setzen?

Unser Lichtstimulus wird von handelsüblichen Smartphone-Bildschirmen abgegeben – keine zusätzliche Lichtquelle – und liegt von Dauer und Intensität weit unter den von der IEC (International Electrotechnical Commission) festgelegten Grenzwerten. Wir werden dies im Rahmen der klinischen Evaluierung natürlich weiter untersuchen, sehen aber auf Basis der aktuellen Erkenntnisse keine Hinweise auf Sicherheitsrisiken.

Bezüglich der Akkommodation gibt es Hinweise in der Literatur, dass Virtual Reality Headsets trotz des geringen Betrachtungsabstands bei jungen Erwachsenen nicht als myopieauslösender Stimulus wirken. Dennoch haben wir darauf geachtet, unsere Inhalte so zu gestalten, dass die Auswirkungen auf das akkommodative System so gering wie möglich gehalten werden.

 

Es gibt Studien, die zeigen, dass je nach Hersteller der Displays ganz unterschiedliche spektrale Zusammensetzungen des Lichts emittiert werden. Wie wollt Ihr hier eine Standardisierung hinbekommen?

Wir wollen unseren Behandlungsansatz für so viele Kinder und Jugendliche wie möglich verfügbar machen, dazu gehört auch, dass die Therapie auf handelsüblichen Smartphones verfügbar ist. Grundsätzlich ist unser Lichtstimulus in einem Spektrum, das von üblichen Smartphone-Bildschirmen auch erzeugt werden kann. Wir sind optimistisch, dass wir einen Weg gefunden haben, um den Lichtstimulus auf verschiedenen Gerätetypen zu validieren. 

 

Okay das klingt vielversprechend. Gehen wir nochmal zurück zu Euren Wurzeln. Wie war denn Euer Weg zur Gründung eines Start-Ups? Was waren Hürden und wie würdest du das Start-Up Ökosystem Deutschland bewerten?

Ich hatte Hamed, den wissenschaftlichen Kopf und Gründer von Dopavision, 2018 bei Flying Health in Berlin kennen gelernt, wo er schon seit einiger Zeit an dem Thema arbeitete. Flying Health ist ein Ökosystem für Digital Health und „Next Generation Healthcare“, aus dem sich die Idee formte und wir dann Dopavision gegründet haben.

Mit Dopavision sind wir ja ein Digital-Health Startup mit einem sehr hohen wissenschaftlichen Fokus, fast wie im Biotech. Da ist es in der Anfangsphase wichtig, aussagekräftige Daten zu generieren, um die Methode und den Therapieansatz zu untermauern. Mit einem beschränkten Budget ist das natürlich eine Herausforderung; dafür konnten wir noch vor der Seed Runde eine Förderung des BMBF (Bildungs- und Forschungsministerium) gewinnen, die uns in dieser Phase unterstützt hat.

Ich finde das Digital Health Ecosystem in Berlin sehr gut, es gibt hier viele beeindruckende Ideen und man trifft tolle kreative Gründer. Die Gründung von Startups ist in Deutschland leider nicht immer einfach, vor allem im Personalbereich sind die Themen teils sehr aufwändig, und für kleine Startups schlicht nicht relevant oder ohne entsprechenden Mehrwert für die Mitarbeiter. Hier ist aus meiner Sicht noch deutlicher Verbesserungsbedarf.

 

Stellen für Euch das neue MPG Gesetz und die aktuelle Datenschutzverordnung eine große Hürde dar?

Natürlich ist es unerlässlich, dass nur sichere und wirksame Medizinprodukte zum Markt zugelassen werden – dies gilt selbstverständlich auch für digitale Therapien. Da wir MyopiaX® für Kinder und Jugendliche entwickelt haben, ist es besonders wichtig, dass die Privatsphäre und der Datenschutz gewahrt bleiben. Dies haben wir mit Unterstützung von Experten anhand der entsprechenden Bestimmungen umgesetzt.

Deutschland hat mit den DiGAs eine Vorreiterrolle für den Markteintritt von digitalen Gesundheitsanwendungen eingenommen, was ich persönlich sehr gut finde. Auf der regulatorischen Seite hat die MDR im Bereich Software noch einige Regelungslücken, bei denen verbessert werden kann und die auf Softwareprozesse Rücksicht nehmen müssen. Die US-Regulierung bzw. die FDA scheint hier schon etwas weiter zu sein, da müssen wir in Europa aufholen.


Wie sieht es denn aus mit der Verschreibbarkeit Eurer App? Ist das auf Dauer geplant, dass wir AugenärztInnen Eure App einfach auf (E-)Rezept verteilen können?

Wir wollen MyopiaX® als CE-zertifiziertes Medizinprodukt auf den Markt bringen. In Deutschland bietet sich dann natürlich der Weg als DiGA an, um rasch in der Gesundheitsversorgung Fuß zu fassen. Im Behandlungspfad der Patienten werden sicher auch die Augenärzte eingebunden sein, wobei das je nach Land unterschiedlich sein kann – in Großbritannien und Irland beispielsweise übernehmen Optiker für Kinder viele Funktionen, die in Deutschland der Augenarzt übernimmt. Digitale Therapien bieten hierbei große Chancen, um für die Patienten - und in unserem Fall für die Eltern - den Zugang zu Therapien zu vereinfachen und zu beschleunigen.

 

Momentan wird ja immer gerne über Fehler gesprochen. Was waren Eure Fehler bei der Gründung und was würdet ihr jungen Gründern raten, die in der Augenheilkunde ein Start-Up auf die Beine stellen wollen?

Fehler macht man immer viele – wir auch – entscheidend ist immer, wie man damit umgeht. Das gilt für mich und auch für das ganze Dopavision-Team: Fehler machen ist völlig ok, solange man danach wieder aufsteht, weitermacht und aus den Fehlern lernt und sich weiterentwickelt.

Wir sind in Kontakt mit einigen AugenärztInnen und OrthoptistInnen, die wir im Rahmen einer Marktrecherche einfach angesprochen hatten. Die meisten Rückmeldungen waren sehr hilfreich, ich war beeindruckt von der Bereitschaft, mit uns zu diskutieren und uns zum Beispiel Feedback zum Produkt zu geben – so wie du auch, vielen Dank nochmal! Vielleicht kann man da schon von einer Community sprechen, wir werden diese Aktivitäten auf jeden Fall in Zukunft ausbauen, damit wir ein Produkt entwickeln, dass optimal zu den Bedürfnissen der Patienten und Eltern passt.

Das würde ich auch jedem Gründer in dem Bereich raten – so früh wie möglich rausgehen und herausfinden, wie der Alltag bei den Ärzten und Patienten tatsächlich aussieht, denen man einen Mehrwert bieten will. Im Gesundheitswesen ist dies ja oft nicht ohne Weiteres erkenntlich.

 

In Deutschland wird immer wieder gefordert, dass StartUp Gründer zu 100% sich dem StartUp widmen. Öfter habe ich erlebt, dass dann bei Health StartUps extern der Rat von Ärztinnen und der Kontakt zu Kliniken gesucht wird. Wäre es hier nicht wünschenswert, dass Geldgeber insbesondere auch StartUps mehr fördern, bei denen die Gründer auch noch Ihrer klinischen Tätigkeit nachgehen und somit näher an der späteren Zielgruppe stehen?

Viele guten Ideen kommen aus der Praxis, weil man dort mit den Problemen der Patienten oder Kunden konfrontiert wird und einschätzen kann, ob eine Idee ein echtes Kundenproblem löst. Dort hat man auch einen direkten Zugang, um mit Kollegen oder Patienten zu sprechen und erstes Feedback einzuholen oder sogar Prototypen zu testen, ganz abgesehen von den Kontakten, die man auf seinem späteren Weg wahrscheinlich sehr gut nutzen kann. Irgendwann kann man allerdings ein Startup nicht mehr „nebenher“ machen, das ist viel zu viel Arbeit. Es wird oft unterschätzt, wie viel Arbeit es ist, einen guten Businessplan zu schreiben oder Investoren für die Idee zu begeistern – das ist echt ein Vollzeitjob. Die meisten Investoren werden auch verlangen, dass man sich seiner Idee voll und ganz widmet – sonst ist es unglaubwürdig, dass man davon wirklich überzeugt ist.

 

Ich habe im universitären Umfeld oftmals erlebt, dass junge WissenschaftlerInnen tolle Ideen haben, diese aber nur bis zur Publikation verfolgt werden (Ziel Habilitation, Professur etc.). In diesem Kontext habe ich mal gefordert, dass analog zum Clinician Scientist (Mischung aus Forscher und Kliniker) ebenfalls der/die Clinician Founder geschaffen werden sollte. Hiermit meine ich wie oben angesprochen Kliniker, die NEBEN ihrer klinischen Tätigkeit ein StartUp gründen oder an dessen Gründung mitwirken, um bspw. DiGAs zu entwickeln und unmittelbar auch Forschungsergebnisse in die klinische Anwendung transferieren könnte. Dies könnte auch von Universitäten direkt in Form von „Start-Up“ Grants erfolgen. Hier reichen ja teilweise Summen von 5000-10000 Euro, um bspw. eine Website zu erstellen, einen Prototypen zu bauen oder Zeit für einen guten Business Plan zu haben. Was meinst du dazu? 

Ich glaube, man kann man von überall her und mit jedem Background her gründen – kein Mensch kann eine Gründung alleine schaffen, man muss sich sowieso später die richtigen Partner suchen, mit denen man zusammenarbeitet. Gerade aus der klinischen Praxis heraus hat man viele gute Ideen. Am besten ist es ohnehin man testet die Ideen – wie du sagst zum Beispiel in Form eines Prototypen – auf kleiner Flamme, um zu schauen ob es Kunden gibt und die Idee Zukunft hat; oder was man noch eben verbessern muss, bevor die Kunden es gut finden. Ein „Transfer-Founding-Grant“ dazu finde ich eine gute Idee, das kann beim Loslegen helfen. Irgendwann werden sich die Gründer auch mit mehr und mehr Zeit um das Startup kümmern – umso besser, wenn es später bis dahin schon erstes Feedback oder erste Daten gibt, die das Konzept bestätigen.

 

Okay! Und was macht Ihr jetzt mit den 12 Millionen Euro? Kommt jetzt ein klinischer Versuch?

Die Series A Finanzierung werden wir in weitere klinische Untersuchungen und Produktentwicklung investieren, um MyopiaX® für die Patienten noch einfacher und wirksamer zu machen. Die klinische Entwicklung hat das Ziel, die Wirksamkeit und Sicherheit bei Kindern und Jugendlichen nachzuweisen, die von progredienter Myopie betroffen sind. Dazu starten wir dieses Jahr eine klinische Studie in mehreren Zentren in ganz Europa.

 

Vielen Dank und Euch weiterhin alles Gute!!

 

 

 

 

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Publikationen

  1. Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty in Vascularized Eyes: Outcome and Effect on Corneal Neovascularization. Hayashi T, Zhang W, Hos D, Schrittenlocher S, Nhat Hung Le V, Siebelmann S, Matthaei M, Bock F, Bachmann B, Cursiefen C. Cornea. 2021 Jun 1;40(6):685-689. doi: 10.1097/ICO.0000000000002502. PMID: 33252385.
  2. Präkonditionierung von vaskularisierten Hochrisikoaugen mittels Feinnadeldiathermie und Crosslinking. Matthaei M, Hos D, Bock F, Le VNH, Hou Y, Schaub F, Siebelmann S, Zhang W, Roters S, Bachmann BO, Cursiefen C. Ophthalmologe. 2021 May 7. German. doi: 10.1007/s00347-021-01415-3. Epub ahead of print. PMID: 33961088.
  3. Comparison of Mini-DMEK versus predescemetal sutures as treatment of acute hydrops in keratoconus. Händel A, Siebelmann S, Hoz D, Ögrünc F, Matthaei M, Cursiefen C, Bachmann B.  Acta Ophthalmol. 2021 May 4. doi: 10.1111/aos.14835. Epub ahead of print. PMID: 33942986.